Madame Matinet, Sie haben Ihr eigenes Unternehmen mit Namen Tartefine gegründet. Was haben Sie davor gemacht?
«Ich habe 20 Jahre lang in der Luftfahrtbranche gearbeitet, hauptsächlich als Stewardess bei Emirates und bei XL Airways, wo ich als Direktorin für das Flugpersonal aufgehört habe. Parallel dazu habe ich vor zehn Jahren während eines Sabbatjahres eine Berufsbefähigung als Konditorin gemacht.
Ich wusste, dass mein Job in der Luftfahrtbranche nicht von Dauer sein konnte und ich wollte mich daher in einem Beruf weitermachen, der mir Spaß macht und in dem ich mich eines Tages selbstständig machen könnte.
Ich habe daraufhin XL Airways verlassen und ein Freund hat mir angeboten, bei der Luftfahrtfirma Global Jet in Luxemburg anzufangen. Die Tätigkeit war dann aber schnell beendet. Aber ich hatte die Möglichkeit, Luxemburg kennenzulernen und mich in das Land zu verlieben.
Dank meiner Berufserfahrung als Personalleiterin habe ich eine Stelle bei Brinks, einer Sicherheitsfirma, erhalten, wo ich verantwortlich war für die Weiterbildung der Mitarbeiter.
Als ich danach arbeitslos wurde, habe ich bei der ADEM von der Weiterbildung Fit4entrepreneurship gehört, für die ich mich beworben habe.
Was hat Sie dazu bewogen, an der Weiterbildung teilzunehmen?
«Die Herausforderung, mich selbstständig zu machen! Ohne diese Weiterbildung hätte ich es mir nicht getraut, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Die Weiterbildung hat mir geholfen, Selbstvertrauen aufzubauen und insbesondere meine Geschäftsidee in die Praxis umzusetzen.
Was wird im Rahmen der Weiterbildung Fit4entrepreneurship konkret geboten?
«Die Weiterbildung besteht aus verschiedenen Modulen im Bereich der Unternehmensführung. Nachdem ich mit meiner Geschäftsidee für die Teilnahme an der Weiterbildung zugelassen wurde, habe ich im Schnitt dreimal pro Woche Kurse zur Buchhaltung, zum Marketing, zur Unternehmensstrategie gehabt, die von erfahrenen Dozenten gehalten wurden.
Ein ganz wesentlicher Bestandteil des Kurses war die Erstellung eines Businessplans für jede einzelne Geschäftsidee. Daran habe ich sowohl im Kurs als auch bei mir zuhause gearbeitet. Hierbei habe ich Hilfe von einem Coach, Jean-Paul Félix erhalten, der Berater für Unternehmensführung und Partner der Coprocess Gruppe ist.
Was haben Sie für sich aus dieser Weiterbildung mitgenommen?
«Eine Struktur, einen Rahmen aber auch viele Beziehungen. Jedesmal, wenn ich bei der Unternehmensgründung auf Schwierigkeiten gestoßen bin, konnte ich auf die Unterstützung und die Ratschläge von unterschiedlichen Personen sowie der Handelskammer und der Handwerkskammer zählen.
Wann haben Sie sich selbstständig gemacht?
«Dirket nach Ende der Weiterbildung habe ich mich auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten gemacht und schließlich habe ich etwas Passendes mitten in Bonnevoie gefunden. ABer es mussten noch viele bauliche Arbeiten erledigt werden, von denen die Vermieterin einiges übernommen hat. Das hat die Eröffnung der Bäckerei, die ursprünglich für Dezember vorgesehen war, etwas verzögert.
Brauchten Sie anfangs ein Startkapital?
«Ja, natürlich. Iich habe dazu die Prämie verwendet, die ich bei meinem Fortgang von der Luftfahrtgesellschaft erhalten hatte. Man braucht 12.500 Euro Grundkapital zur Gründung einer Kapitalgesellschaft. Das ist das Minimum. Hinzu kommen noch die Kosten für den Umbau und die Einrichtung. Je nach Geschäftstätigkeit kann das schnell in die Höhe steigen. Daher braucht man einen Kredit.
Hat Fit4entrepreneurship Ihnen geholfen, den Kredit zu beantragen?
«Banken sind Angsthasen. Sehr große Angsthasen. Ohne Garantien wird es meiner Meinung nach schwierig. Europa stellt den Banken viel Geld zur Verfügung, damit sie in das Unternehmertum investieren; aber viele Banken sind nicht bereit, Risiken einzugehen. Man muss also verhandeln.
Die Tatsache, dass die Handelskammer einen betreut und einen auf die Sprünge hilft, reicht nicht aus. Die Kreditvergabe durch die Banken war die schwierigste Etappe. Bei gleicher Kreditsumme ist es um ein Vielfaches leichter, einen Kredit für einen luxuriösen Geländewagen als für die Gründung eines Unternehmens zu bekommen.
Wie sind sie auf Bonnevoie gekommen?
«Die Mieten in der Innenstadt sind unbezahlbar, gerade wenn man am Anfang steht. Ich musste woanders etwas suchen, bis ich die Räumlichkeiten in Bonnevoie gefunden habe. Das ist ein ziemlich dynamisches Viertel. Und der Standort ist fast ideal, weil in der Nähe keine Konkurrenz ist und Nachfrage von den Anwohnen besteht, was eine Marktstudie gezeigt hat.
Ich habe die Bäckerei in Ruhe eingerichet und habe dabei auch Unterstützung von dem ein oder anderen Teilnehmer des Programms Fit4Entrepreneurship erhalten. Denn dieses Programm schafft auch Verbindungen. Andere Teilnehmer sind Freunde geworden.
Achten Sie besonders auf die Produkte, die Sie anbieten?
«Ja. hauptsächlich auf die Zutaten, die wir verwenden. Die Mehlsorten, Hefen und Eier, die wir verwenden, kommen aus nachhaltiger Landwirtschaft und tragen das rote Gütesiegel.
Welche Ziele haben Sie sich gesetzt?
«Ziel ist, dass das Unternehmen wächst und die Menge der verkauften Produkte, ob es sich um Brot, Viennoiserie oder Schokolade handelt, steigt. Wir machen über Mund-zu-Mund-Propaganda, Flyer, Facebook und unserer Homepage auf uns aufmerksam.
Stehen die Handwerkskammer und die Handelskammer heute immer noch hinter Ihnen?
«Ja, sie kümmern sich gut um mich und sind da, wenn ich sie brauche. Sie lehren einen nicht nur, wie man einen Betrieb gründet, sondern auch wie man ihn später leitet!»
Visitenkarte
Name Anne Matinet
Alter: 48 Jahre
Unternehmen: Tartefine Luxemburg, rue Demy Schlechter à Bonnevoie
Tätigkeit: Boulangerie – Pâtisserie – Salon de thé
Gründung: 19. April 2016
Zahl der Angestellten: vier Vollzeitkräfte und eine Halbtagskraft
Investitionssumme: 120.000 Euro
© Paperjam / Maison Moderne
Das Interview wurde veröffentlich in Paperjam.lu am 02.05.2016
Den vollständigen Artikel finden Sie unter: http://paperjam.lu/news/je-naurais-pas-ose-creer-ma-propre-societe